Sachverhalt
Im Jahr 2002 kam es im brandenburgischen Potzlow in der Uckermark zu einem ultra-brutalen Mord an dem damals 16-jährigen Schüler Marinus Schöberl durch die drei Neonazis Marcel (17 Jahre), Marco (23 Jahre) und Sebastian (17 Jahre). Marinus war ein Außenseiter und auf der Suche nach sozialem Anschluss. Er liebte Hip-Hop-Musik, färbte seine Haare blond und trug weite Hosen.
Am Abend des 12. Juli 2002 war er mit den Brüdern Marcel und Marco sowie mit Sebastian in dem rund 500-Seelen-Dorf unterwegs, obwohl er von dem Trio als “Punk” verachtet wurde. Nachdem sie reichlich Alkohol getrunken hatten, behauptete Marco plötzlich, dass Marinus wie ein “Jude” aussehe. Als Marinus dies verneinte, wurde er geschlagen. Als er dies schließlich irgendwann bejahte, wurde er noch mehr geschlagen und misshandelt. Das Trio flößte ihm bis zum Erbrechen Alkohol ein und Sebastian urinierte auf ihn, als er am Boden lag.
Anschließend verlagerte sich das Geschehen auf eine stillgelegte LPG-Schweinemastanlage aus DDR-Zeiten. Marinus wurde gezwungen, in den Rand eines Schweinetrogs zu beißen (sog. “Randsteinbeißen”) und damit eine Tötungsszene aus dem US-Film “American History X” nachzustellen. Dort wurde eine Person beim Randsteinbeißen durch einen Sprung auf den Kopf (sog. “Bordsteinkick“) brutal getötet. Marinus befolgte die Anweisung in Todesangst. Das Trio lachte und feixte. Sodann entschloss sich Marcel spontan, die Filmszene in die Tat umzusetzen und sprang Marinus mit menschenverachtendem Tötungsvorsatz und voller Wucht mit seinen Springerstiefeln auf den Kopf.
Marinus erlitt sichtbar schwerste Kopfzerquetschungen und Schädelbrüche. Ob er zu diesem Zeitpunkt noch lebte, blieb unklar. Um sicherzustellen, dass Marinus wirklich tot ist, holten Marcel und sein Bruder Marco einen großen schweren Betonstein und warfen diesen zweimal auf Marinus Kopf. Anschließend vergruben sie zusammen mit Sebastian, der sich zunächst schockiert abgewandt hatte, die Leiche von Marinus in einer alten Jauchegrube. Der Leichnam wurde erst vier Monate später im November 2002 gefunden.
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Entscheidung
Das Landgericht Neuruppin verurteilte Marcel als Haupttäter mit Urteil vom 24. Oktober 2003 (Az. 12 KLs 326 Js 32674/02 (1/03)) u.a. wegen vollendeten Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer Jugendstrafe von lediglich 8 Jahren und 6 Monaten. Marco wurde u.a. wegen seiner Beteiligung an den Steinwürfen wegen versuchten Mordes in Verdeckungsabsicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt, wobei frühere rechtskräftige Verurteilungen mit einbezogen wurden. Sebastian bekam u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung durch die vorangegangenen Misshandlungen eine Jugendstrafe von 2 Jahren ohne Bewährung. Bei der Strafzumessung berücksichtigte die Kammer die Alkoholisierung der Täter sowie die erhebliche Intelligenzminderung der beiden Brüder.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Neuruppin änderte der Bundesgerichtshof u.a. die Schuldsprüche von Marco und Sebastian mit Urteil vom 19. August 2004 (Az. 5 StR 218/04; NStZ 2005, 93) dahingehend ab, dass diese auch noch wegen Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig befunden wurden. Die beiden seien zwar von der Kammer zu Recht nicht wegen vollendeten Mordes an Marinus verurteilt worden, da es sich bei dem Bordsteinkick von Marcel um einen klassischen Mittäterexzess gehandelt habe. Dieser sei für die beiden anderen Täter auch nicht vorhersehbar gewesen, sodass auch ein (versuchter) Mord durch Unterlassen nicht in Betracht käme.
Die Kammer habe allerdings nicht hinreichend bedacht, dass der spontane Bordsteinkick von Marcel faktisch nur den Abschluss der zuvor gemeinsam begangenen Körperverletzungen bildete. Der Tod von Marinus sei somit durch die Intensivierung des als Körperverletzung gewollten Verhaltens des Trios verursacht worden und für Marco und Sebastian angesichts der emotional stark aufgeheizten Tatsituation und der sich steigernden Misshandlungen und Gewalttätigkeiten auch in ihrer tödlichen Wirkung vorhersehbar gewesen.
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Anmerkungen
Der Schweinetrog-Fall ist ein äußerst schockierender und brutaler Fall, der seinerzeit für ein großes Medienecho sorgte. Insbesondere die relativ milden Strafen wurden von vielen Seiten heftig kritisiert. Der Fall war Gegenstand eines Theaterstücks (“Der Kick”) sowie mehrerer Dokumentationen. Empfehlenswert ist der Film “Nach Wriezen“, der Marcel nach seiner Haftentlassung im Oktober 2010 aus der JVA Wriezen zeigt.
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