Sachverhalt
Der Badewannen-Fall hat sich in den 1940er Jahren zugetragen. Die verheiratete Maria Anna R wurde von einem anderen Mann schwanger. Aus Angst vor der Reaktion ihres Vaters sowie vor der öffentlichen Missachtung als “uneheliche Mutter” beschloss sie, das Baby unmittelbar nach der Geburt zu töten.
Wenig später brachte R ihr Baby im Beisein ihrer Schwester S, die sie zuvor in ihren Plan eingeweiht hatte und die diesen gebilligt hatte, lebend zur Welt. S legte das neugeborene Baby sodann plangemäß in die Badewanne, in der es ertrank.
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Entscheidung
Das Landgericht Trier verurteilte R wegen Kindstötung gemäß § 217 StGB a.F. (heute wohl Totschlag, § 212 StGB) und S wegen Mordes gemäß § 211 StGB. Zur Begründung führte die Schwurgerichtskammer aus, dass R die Tötungshandlung alsbald nach der Geburt in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrer Schwester S ausgeführt habe. Diese habe das Kind vorsätzlich getötet, indem sie es in die Badewanne gelegt habe, damit es ertrinke.
Auf die Revision von S hob das Reichsgericht ihre Verurteilung mit Urteil vom 19. Februar 1940 (Az. 3 D 69/40; RGSt 74, 84) wieder auf. Zur Begründung stellte der III. Strafsenat klar, dass das Landgericht bezüglich S nicht hinreichend zwischen Täterschaft und Teilnahme abgegrenzt habe. Die rechtliche Einordnung von S als (Mit-)Täterin an der Tötung des Kindes ihrer Schwester beruhe augenscheinlich nur darauf, dass S die tatbestandsmäßige Tötungshandlung selbst ausgeführt habe. Dies sei jedoch nicht ausreichend, sondern widerspräche der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme.
Danach komme es entscheidend darauf an, ob der Täter die Ausführungshandlung mit Täterwillen unternommen habe, d.h. ob er die Tat als “eigene” gewollt habe, oder ob er damit lediglich eine fremde Tat als “fremde” habe unterstützen wollen. Nur im ersten Fall sei er als Täter anzusehen, im zweiten Fall sei er dagegen bloßer Gehilfe und damit nur ein Teilnehmer. Ob jemand die Tat als eigene will, richtet sich vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, nach dem Grade seines eigenen Interesses am Erfolg.
Vorliegend habe jedoch nicht etwa S, sondern R das größere Interesse an der Beseitigung des Kindes gehabt, da gerade sie die Vorwürfe ihres Vaters und die öffentliche Missachtung als uneheliche Mutter getroffen hätten. Das Landgericht müsse sich daher erneut und eingehend mit der Frage befassen, ob unter diesen Umständen S tatsächlich mit Täterwillen gehandelt hat oder ob sie nur ihrer Schwester bei der Ausführung der Tat helfen wollte.
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Anmerkungen
Der Badewannen-Fall ist aufgrund der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ein absoluter Strafrechtsklassiker. Während das Reichsgericht in der Entscheidung sehr stark auf die subjektive Animus-Theorie abgestellt hat, nimmt der Bundesgerichtshof heutzutage eine “wertende Gesamtbetrachtung” vor und hat sich damit in der Literatur vertretenen objektiven Tatherrschaftslehre angenähert.
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