Das erste NPD-Verbotsverfahren
Am 30. Januar 2001 reichte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen Parteiverbotsantrag nach Art. 21 Abs. 2 GG beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein mit dem Ziel, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), heute DIE HEIMAT, wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit zu verbieten. Am 30. März 2001 schlossen sich der Bundestag und der Bundesrat mit eigenen Verbotsanträgen an.
Die vorgelegten Beweismittel beschränkten sich weitgehend auf verbale verfassungsfeindliche Äußerungen wie Volksverhetzung von NPD-Funktionären; schwere Straftaten wie Gewalt- und Rohheitsdelikte konnten der Partei bzw. ihren Funktionären kaum nachgewiesen werden. In der Folge wurde jedoch bekannt, dass die Partei bis in die Führungsspitze mit V-Leute durchzogen war. So wurde der damalige NRW-Landesverband der NPD komplett von V-Leuten des Verfassungsschutzes gesteuert. Als sich der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2002 weigerte, den Verfassungsrichtern die Namen der V-Leute bekanntzugeben, war der Skandal perfekt.
Das BVerfG stellte das Verbotsverfahren mit Beschluss vom 18. März 2003 aufgrund eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses ein (Az. 2 BvB 1/01, 2/01, 3/01; BVerfGE 107, 339). Zur Begründung führte der Zweite Senat aus, dass aufgrund des massiven Einsatzes von V-Leuten nicht nachvollziehbar sei, welche der vorgelegten Beweismittel von „echten“ NPD-Funktionären seien und welche von V-Leuten stammen und damit wegen der „fehlenden Staatsferne“ nicht berücksichtigt werden könnten. Die Entscheidung erging zwar lediglich mit 3:4 Stimmen und damit ohne einfache Mehrheit. Dies war jedoch unschädlich, da die Fortführung eine Zweidrittelmehrheit erfordert hätte nach § 15 Abs. 4 BVerfGG.
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Das zweite NPD-Verbotsverfahren
Nach Bekanntwerden des sog. Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), eine neonazistische terroristische Vereinigung um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, flammt die Debatte über ein NPD-Verbot erneut auf. Am 6. Dezember 2012 sprach sich die Ministerpräsidentenkonferenz für die Einleitung eines neuen Verbotsverfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG aus. Der entsprechende Verbotsantrag wurde vom Bundesrat am 3. Dezember 2013 beim BVerfG eingereicht. Die damalige schwarz-rote Bundesregierung stellte keinen eigenen Verbotsantrag, da sie dies „für nicht erforderlich“ hielt.
Mit Urteil vom 17. Januar 2017 wies das BVerfG den zweiten Verbotsantrag als unbegründet zurück (Az. 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20). Zur Begründung führte der Zweite Senat aus, dass das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde darstelle. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.
Die NPD strebe zwar nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an. Sie ziele auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen “Volksgemeinschaft” ausgerichteten autoritären “Nationalstaat”. Die Partei arbeite auch planvoll und qualifiziert auf die Erreichung dieses Ziels hin, sodass sich ihr Handeln als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstelle. Es fehle jedoch an konkreten Anhaltspunkten von erheblichem Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt. Die NPD war noch nie im Bundestag vertreten und ihr Zweitstimmenanteil lag bei den letzten drei Bundestagswahlen 2013, 2009 und 2005 bei unter 2,0 %. Die Partei sei politisch bedeutungslos und unbedeutend, was einem Verbot nach Art. 21 Abs. 2 GG entgegenstehe.
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Anmerkungen
Zweimal wurde versucht, die rechtsextreme NPD zu verbieten. Zweimal blieben die entsprechenden Verbotsanträge erfolglos, was mit Blick auf die hohen Anforderungen von Art. 21 Abs. 2 GG nicht verwunderlich ist. Das BVerfG hat in dem zweiten Verbotsverfahren unmissverständlich klargestellt, dass das Verbot einer politischen Partei sowohl die schärfste, als auch zugleich eine zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde darstellt. Denn das Verbot einer Partei ändert nicht das Wesentliche: die politische Einstellung der sie Wählenden.
Die Forderung nach dem Verbot missliebiger politischer Parteien ist ein Dauerthema und damit auch ein beliebtes Klausur- und Examensthema. Wenn Du mehr über politische Parteien und die Staatsorganisation wissen möchtest, solltest Du unbedingt einen Blick auf unseren Crashkurs Staatsrecht werfen. Hier lernst Du in nur 4,5 Stunden alles über das Staatsorganisationsrecht und Verfassungsprozessrecht – natürlich unter examensrelevanten Gesichtspunkten.