Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ein Holzimportunternehmen im Hafenbereich von Bremen. Im Jahr 1976 beantragte sie beim zuständigen Bauamt die Baugenehmigung für die Errichtung einer Halle auf ihrem Betriebsgrundstück. Dort befand sich bereits ein Holzlager, das nunmehr überdacht und vor Regen geschützt werden sollte. Hinter der geplanten Halle verlief in einer Entfernung von nur 50 cm eine oberirdische Ölpipeline auf einem Grundstück der Stadt. Die diesbezügliche Baugenehmigung sah vor, dass die Pipeline im Bereich des Holzlagers der Klägerin mit einem Mantelrohr aus Beton versehen werden müsse. Ferner sah der Gestattungsvertrag zwischen der Betreiberin der Ölpipeline und der Stadt vor, dass die Betreiberin die Pipeline auf Verlangen der Stadt aus wichtigen Gründen verlegen, ändern oder ergänzen müsse.
Das zuständige Bauamt erteilte der Klägerin am 21. Juli 1976 die begehrte Baugenehmigung unter Auflagen. Die Klägerin störte sich insbesondere an folgender Auflage:
„7. Die hinter der Abstellhalle verlaufende oberirdische Pipeline ist im Bereich der Halle feuerbeständig – DIN 4102, F 90 – zu ummanteln; die Ummantelung muß die Halle seitlich um mindestens 5 m überragen.”
Die Klägerin legte gegen diese Auflage daher Widerspruch mit der Begründung ein, dass der vom Bauamt bemängelte „Gefahrenbereich“ bereits seit Jahren existiere und im Übrigen erst durch die spätere Pipeline entstanden sei. Nachdem die Stadt die Betreiberin der Pipeline erfolglos aufgefordert hatte, die Ummantelung der Rohrleitung selbst zu übernehmen, wies der Senator für Bauwesen den Widerspruch zurück. Dies ließ die Klägerin nicht auf sich beruhen.
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Entscheidung
Das Verwaltungsgericht Bremen wies die Klage vollumfänglich zurück. Soweit die Klägerin die isolierte Anfechtung der Auflage beantragt habe, sei dieser Antrag bereits unzulässig. Denn diese sei vorliegend nicht selbstständig anfechtbar, da ohne die feuerbeständige Ummantelung der Pipeline es an dem für die Halle notwendigen Brandschutz fehlen würde, sodass die angefochtene Auflage einen integralen Teil der Baugenehmigung als Haupt-VA darstelle. Damit könnten die Baugenehmigung und die Auflage nicht unabhängig in rechtmäßiger Art und Weise nebeneinanderstehen. Daher sei auch der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne die Auflage unbegründet.
Das Oberverwaltungsgericht Bremen bestätigte das erstinstanzliche Urteil nur hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens. Auf das Verpflichtungsbegehren hob der 1. Senat die erteilte Auflage sowie die Baugenehmigung aufgrund der rechtlichen Einheit auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung über den Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts an die beklagte Stadt Bremen zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin die falsche Adressatin sei. Sie sei weder Eigentümerin der Ölpipeline, noch übe sie die tatsächliche Gewalt hierüber aus. Die Klägerin sei auch nicht die Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Pipeline verläuft. Vielmehr trage die Betreiberin der Pipeline die bauordnungsrechtliche Verantwortung.
Die Revision der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Anfechtungsbegehrens wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Februar 1984 (Az. 4 C 70.80; NVwZ 1984, 366) als unbegründet zurück. Der 4. Senat stellte noch einmal klar, dass die isolierte Aufhebung einer Auflage i.S.d. § 36 VwVfG nach ständiger Rechtsprechung nur dann zulässig sei, wenn der übrige Teil des Verwaltungsaktes anschließend noch selbstständig sinnvoll und rechtmäßig ist. Hieran fehle es jedoch vorliegend, da die Halle ohne die aus Brandschutzgründen zu ummantelnde Pipeline baurechtlich nicht genehmigungsfähig sei.
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Anmerkungen
Die Pipeline-Entscheidung ist ein weiterer Klassiker des Öffentlichen Rechts zu der sehr umstrittenen Frage der isolierten Anfechtbarkeit einer Auflage zum Verwaltungsakt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Begründung der Vorinstanzen bestätigt und dabei erneut auf die Lehre von der „materiell-rechtlichen Teilbarkeit“ abgestellt.
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