Sachverhalt
Anfang der 1970er Jahre lernte der spätere Angeklagte Fred Gaster die vier Jahre jüngere Heidrun T. in einer Diskothek kennen. T. war damals noch eine unselbstständige und komplexbeladene junge Frau. Zwischen beiden entwickelte sich eine intensive Freundschaft und sie diskutierten intensiv über Psychologie und Philosophie. Mit der Zeit wurde Gaster zum Lehrer und Berater von T. in allen Lebensfragen, dem sie blind vertraute.
Eines Tages offenbarte ihr Gaster, dass er in Wirklichkeit ein Bewohner des Sterns Sirius sei. Die Sirianer seien eine Rasse, die philosophisch auf einer weit höheren Stufe stünden als die Menschen. Er sei mit dem Auftrag auf die Erde gesandt worden, dafür zu sorgen, dass einige wertvolle Menschen wie T. nach dem völligen Zerfall ihrer Körper mit ihrer Seele auf einem anderen Planeten oder dem Sirius weiterleben könnten. T. glaubte dies.
Gaster nutzte den Irrglauben von T. aus und erzählte ihr, dass sie nach ihrem Tod auf einem anderen Himmelskörper weiterleben könne, wenn sich ein ihm bekannter Mönch für einige Stunden in Mediation versetze. Dies koste allerdings 30.000 DM. Da T. unbedingt auf Sirius weiterleben wollte, nahm sie einen Bankkredit auf und gab Gaster das Geld, das dieser – wie von Anfang an geplant – heimlich für sich verbrauchte.
Nachdem T. immer wieder nach dem Erfolg der “Transformation” gefragt hatte, erzählte ihr Gaster, dass diese nicht erfolgreich war, weil ihr Bewusstsein eine starke Sperre aufgebaut habe. Diese Blockade könne nur durch die Vernichtung ihres alten Köpers und die “Transformation” in einen neuen Körper überwunden werden. Ein solcher stünde bereits in einem roten Raum am Genfer See bereit. T. glaubte auch dies.
Da T. für ihr neues Leben auch Geld benötigen würde, schloss sie auf Anraten von Gaster eine Lebensversicherung über 250.000 DM (bei Unfalltod 500.000 DM) ab und setze ihn als Begünstigten ein. Nachdem sie durch einen vorgetäuschten Unfall aus ihrem alten Leben geschieden sei, würde er die Versicherungssumme an sie weiterleiten. Da sich die Auszahlung allerdings etwas verzögern könne, empfahl ihr Gaster, ihm 4.000 DM in bar als „Startkapital“ zu geben. Dieses würde er ihr nach ihrem Erwachen am Genfer See aushändigen. T. war damit einverstanden.
Am 1. Januar 1980 sollte schließlich die große “Transformation” beginnen. Dafür begab sich T. in ihrer Wohnung im Schwarzwald in die Badewanne und ließ ihren Föhn ins Wasser fallen. Sie hatte die Hoffnung, sofort in einem neuen Körper zu erwachen. Der Gedanke an einen Selbstmord kam ihr nicht. Aus technischen Gründen blieb der von Gaster geplante tödliche Stromstoß jedoch aus und T. verspürte nur ein Kribbeln am ganzen Körper. Als sie Gaster über den Fehlschlag telefonisch informierte, gab dieser ihr noch über 3 Stunden Anweisungen, um die “Transformation” doch noch irgendwie erfolgreich umzusetzen. Als dies nicht gelang, nahm Gaster von weiteren Bemühungen Abstand, da er diese für aussichtslos hielt.
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Entscheidung
Das Landgericht Baden-Baden verurteilte Gaster mit Urteil vom 3. November 1982 u.a. wegen versuchten Mordes und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren. Zu Begründung führte die Schwurgerichtskammer aus, dass Gaster versucht habe, T. aus Habgier in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zu ermorden, um an das Geld aus der von ihm empfohlenen Lebensversicherung zu kommen. Er habe sie kraft seines überlegenen Wissens über die Wahrheit seiner erfundenen Sirius-Geschichte zu einem Werkzeug gegen sich selbst gemacht und die Tat damit als eigene gewollt und durch einen anderen begehen wollen, nämlich durch T. selbst. Gaster sei damit kein strafloser Teilnehmer am versuchten Suizid von T., da er diese hierzu eben nicht nur angestiftet oder ihr Beihilfe geleistet habe (§§ 26, 27 StGB).
Die Revision von Gaster wurde vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Juli 1983 (Az. 1 StR 168/85, BGHSt 32, 38) auf seine Kosten verworfen. Die vom Landgericht vorgenommene Abgrenzung von strafbarer Tötungstäterschaft und strafloser Selbsttötungsteilnahme sei rechtsfehlerfrei gewesen. Denn Gaster habe T. absichtlich über die Tatsache, dass sie sich selbst töten werde, mit seiner “Sirius-Transformations-Geschichte” getäuscht und das eigentliche Tatgeschehen durch stundenlang erteilte Anweisungen maßgeblich gesteuert. T. habe tatsächlich geglaubt, dass sie durch die “Transformation” nur ihren Körper wechseln und ihren irdischen Lebensweg zu einem höher entwickelten astralen Wesen fortsetzen werde. Damit sei Gaster zweifelsohne Täter eines zumindest versuchten Mordes aus Habgier in mittelbarer Täterschaft nach §§ 211, 25 Abs. 1 Alt. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB.
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Anmerkungen
Der Siriusfall ist ein absoluter Klassiker und wohl mit Abstand einer der kuriosesten Strafrechtsfälle – und zugleich einer der Bekanntesten. In den letzten Jahren wurde bekannt, dass Fred Gaster seine hoch-manipulativen Fähigkeiten wohl nicht nur bei T. eingesetzt hat, sondern auch bei anderen Menschen. So soll es in seinem Umfeld gegen Ende der 1970er Jahre mehrere ungeklärte Todesfälle gegeben haben. Besonders kurios: Gasters vermögende Ehefrau soll sich nur wenige Wochen vor dem Tattag am 1. Januar 1980 selbst erschossen haben!
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